während die Dunkle Materie den Kosmos zusammenhält, treibt die Dunkle Energie ihn auseinander

Die Hypothese von der Dunklen Materie hatte letztlich nichts am kosmologische Weltbild geändert: Die Expansion des Weltalls würde, so waren sich die Forscher sicher, durch die Anziehungskraft der gesamten Materie im Kosmos langsam abgebremst. Vielleicht kommt sie irgendwann zum Stillstand – oder kehrt sich gar um zu einer Kontraktion. Weitere Messungen an fernen Galaxien sollten diese Frage beantworten.

Doch dann kam der Schock. Bei ihren Versuchen, die Expansion des Kosmos mithilfe von Supernovae, explodierenden Sternen also, genau zu vermessen, stießen zwei Forscherteams in den 1990er Jahren unabhängig voneinander auf ein unerwartetes Ergebnis: Die Expansion verlangsamt sich keineswegs wie erwartet. Im Gegenteil, sie beschleunigt sich sogar. Die Leiter der beiden Teams – Saul Perlmutter und Brian Schmidt sowie Adam Riess – erhielten 2011 gemeinsam den Physiknobelpreis für ihre Entdeckung.

Was aber treibt die Beschleunigung der Expansion an? Dem Raum, so folgerten die Forscher, wohnt eine eigene Energie inne. Dehnt sich der Raum aus, so nimmt diese Energie zu – wodurch sich der Raum noch schneller ausdehnt. Der amerikanische Astrophysiker Michael Turner prägte für das mysteriöse Phänomen den Begriff „Dunkle Energie“. Damit kam die vermeintliche Eselei Einsteins, eine zusätzliche Größe in die Relativitätstheorie einzuführen, erneut zu Ehren. Und diese Dunkle Energie ist die dominierende Macht im Kosmos: Sie macht 69 Prozent seines gesamten Inhalts aus Materie und Energie aus.

Was aber ist die Dunkle Energie? Hier tappen die Physiker bislang im sprichwörtlichen Dunkeln. Es könnte – wie ursprünglich von Einstein angenommen – eine konstante Energie des Raumes sein. Oder die Dunkle Energie könnte sich zeitlich verändern, zunehmen oder abnehmen. Nur eines ist sicher: Die Zukunft unseres Universums hängt von der Dunklen Energie ab. Die beschleunigte Expansion führt – allerdings erst in Milliarden von Jahren – dazu, dass der mit Teleskopen beobachtbare Teil des Kosmos immer kleiner wird. Denn die Abstände zu weiter entfernten Galaxien wachsen schließlich so schnell an, dass uns deren Licht niemals erreichen kann.

Unsere Milchstraße und das Sonnensystem würden allerdings durch die Schwerkraft zusammengehalten und nicht durch die Dunkle Energie auseinander getrieben werden. Jedenfalls, wenn die Dunkle Energie immer gleich stark bleibt. Nimmt sie jedoch zu, dann könnte die immer rasanter verlaufende Expansion in ferner Zukunft auch Galaxien, unser Sonnensystem und sogar Atome zerreißen.

Hier kommt DESI ins Spiel. Mit diesem Instrument wollen die Astrophysiker herausfinden, worum es sich bei der Dunklen Energie handelt – und wie die Zukunft des Kosmos aussieht. Das am vier Meter großen Mayall-Teleskop an der Sternwarte Kitt Peak in Arizona Hawaii installierte Gerät liefert jeden Monat präzise Daten von über einer Million Galaxien. Anhand dieser Beobachtungen rekonstruieren die Himmelsforscher dann die großräumige Struktur des Universums, die Anordnung von Galaxien und Galaxienhaufen entlang filamentartiger Strukturen, die große, nahezu leere Regionen umhüllen.

Diese Strukturen gehen auf kleine Schwankungen in der heißen Materie des Urknalls zurück – und deshalb können die Wissenschaftler aus ihnen herauslesen, woraus der Kosmos besteht und wie sich die einzelnen Bestandteile im Laufe der Zeit verändern. Über 900 Wissenschaftler aus 70 Ländern arbeiten an dem gewaltigen Vorhaben, das über einen Zeitraum von fünf Jahren läuft. Unlängst hat das DESI-Team die Daten des ersten Beobachtungsjahres veröffentlicht.

„Diese Daten bestätigen zunächst einmal mit großer Genauigkeit unser bisheriges Wissen über den Kosmos“, erklärt DESI-Direktor Michael Levi, „aber wir sehen auch ein paar möglicherweise interessante Abweichungen. Sie könnten ein Hinweis darauf sein, dass sich die Dunkle Energie verändert.“ Möglicherweise sei die Dunkle Energie im heutigen Kosmos geringer als zu früheren Zeiten. Doch Levi bleibt vorsichtig: „Diese Abweichungen können, wenn wir mehr Daten haben, entweder bleiben oder wieder verschwinden.“

Es gilt also abzuwarten, was DESI in den kommenden Jahren an Daten liefert. Vielleicht nimmt die Dunkle Energie tatsächlich ab und die Schwerkraft dominiert irgendwann die Entwicklung des Universums. So könnte die Expansion zum Stillstand kommen. Möglicherweise stürzt der Kosmos dann auch wieder zusammen – zurück zu einem dichten Urzustand, aus dem vielleicht ein neues Universum hervorgeht.

Bildquelle: DESI collaboration