Schon vor Milliarden von Jahren könnte es technische Zivilisationen in der Milchstraße gegeben haben
Unsere Erde ist – bislang – der einzige bekannte Himmelkörper im Universum, auf dem es Leben gibt. Das könnte sich jedoch schon bald ändern: Mit dem großen Weltraumteleskop James Webb hoffen Astronomen „Biosignaturen“ in den Atmosphären von Planeten anderer Sterne aufzuspüren, chemische Substanzen also, deren Existenz sich nur durch den Stoffwechsel von Lebewesen erklären lässt. Aber auch in unserem Sonnensystem wäre die Entdeckung von Leben möglich – tief unter der Oberfläche des Mars, in der Atmosphäre der Venus oder in den gewaltigen, unter Eis verborgenen Ozeanen einiger Monde der Planeten Jupiter und Saturn.
Doch auch wenn die Entdeckung von Bakterien oder selbst einfachen, mehrzelligen Lebensformen eine wissenschaftliche Sensation wäre – die eigentliche Antriebsfeder der Forscher bei der Suche nach außerirdischem Leben ist eine andere. Gibt es dort draußen, so lautet die große Frage, technische Zivilisationen ähnlich der Menschheit – oder sogar weit fortschrittlicher? Oder sind wir Menschen eine grandioser Zufall der Natur, die einzigen Lebensform im ganzen großen Universum, die dessen Entstehung und Entwicklung erforscht?
Avi Loeb, Professor für Astrophysik an der renommierten Harvard University in den USA, erscheint letzteres wenig wahrscheinlich. Denn während lange Zeit unklar war, ob unser Sonnensystem mit der Vielfalt seiner Planeten etwas Besonderes ist, wissen die Himmelsforscher inzwischen, dass um nahezu alle Sterne Planeten kreisen. „Und die jüngsten Daten des Weltraumteleskops TESS zeigen: Zwischen 40 und 85 Prozent der Sterne besitzen sogar erdgroße Planeten“, so Loeb.
Somit könne es allein in unserer Galaxie, der Milchstraße, mehrere Millionen erdähnliche Planeten geben – und warum solle dann nicht auch dort Leben entstanden sein? Das, so Loeb, sei ein gewaltiges Potenzial für die Entstehung technischer Zivilisationen wie der unseren. Und diese Zivilisationen könnten sogar viel eher entstanden sein als jene auf der Erde. „Unsere Sonne und ihre Planeten wurde erst spät in der galaktischen Geschichte geboren“, betont Loeb, nämlich vor 4,5 Milliarden Jahren – während die meisten Sterne der Milchstraße vor acht bis zehn Milliarden Jahren entstanden sind.
„Die meisten dieser älteren Zivilisationen sind also möglicherweise längst verschwunden“, sagt der Forscher. Aber wenn diese Wesen auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung Raumsonden zur Erforschung der Milchstraße gestartet haben, könnten diese seit Milliarden von Jahren unterwegs sein, sich selbst reproduziert haben – und auch schon vor langer Zeit die Erde erreicht haben und auch heute immer noch erreichen.
Vielleicht ist dies sogar unlängst geschehen: Loeb vertritt die – unter seinen Kollegen freilich umstrittene – These, der interstellare Asteroid Oumuamua könne eine solche außerirdische Sonde gewesen sein. Oumuamua durchquerte 2017 unser Sonnensystem, er war der erste Himmelskörper von außerhalb unseres Sonnensystems, den die Astronomen entdeckten. Und er verhielt sich eigenartig. Zum einen schwankte seine Helligkeit viel stärker als bei jedem bekannten Asteroiden. Zum anderen veränderte er ohne sichtbare Ursache leicht seine Bahn.
Für die meisten Astronomen erklärt sich dieses Verhalten durch eine ungewöhnlich längliche Form des Objekts und durch die Einwirkung der Sonnenstrahlung. Loeb hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass ausgerechnet der erste interstellare Asteroid, den man entdeckt, so sehr von den bekannten Asteroiden abweicht – ein künstliches Objekt mit einem Sonnensegel, ausgesendet von Aliens bei einem fernen Stern, ist seiner Ansicht nach eine einfachere Erklärung.
Jetzt will Loeb Nägel mit Köpfen machen: Gemeinsam mit Forschern in aller Welt hat er das Projekt Galileo ins Leben gerufen, das nach außerirdischen Objekten in der Atmosphäre der Erde und im erdnahen Weltraum suchen soll. Automatische Kameras scannen dazu ständig den Nachthimmel ab und erfassen so die Bewegung von Millionen von Objekten. Mithilfe künstlicher Intelligenz werten die Forscher diese Daten aus – auf der Suche nach Flugprofilen, die außerhalb des Leistungsbereichs menschlicher Technik liegen.
Bildquelle: ESO/M. Kornmesser