Neue Antriebe machen Raumsonden schneller – und verkürzen die Reisezeiten für bemannte Missionen
Rund drei Tage brauchten die Apollo-Raumschiffe vor knapp einem halben Jahrhundert zum Mond. Wenn sich in einigen Jahren erneut US-amerikanische Astronauten – oder chinesische Taikonauten – auf den Weg zum Erdtrabanten machen, werden sie kaum schneller sein. Denn die Antriebstechnik hat sich in fünf Jahrzehnten kaum weiter entwickelt: Immer noch treiben vor allem chemische Raketen Raumschiffe und Raumsonden an.
Dabei ist es zum Mond nur ein Katzensprung, verglichen mit anderen Entfernungen im Sonnensystem. Eine bemannte Mission zu unserem Nachbarplaneten Mars würde mit einem konventionellen Antrieb etwa 250 Tage dauern – allein für den Hinflug. Und das ist ein gewaltiges Problem. Zwar können Astronauten einen derart langen Aufenthalt im All sowohl physisch als auch psychisch durchstehen, wie Langzeitaufenthalte auf der Internationalen Raumstation ISS zeigen.
Doch die ISS kreist auf einer engen Umlaufbahn um die Erde und ist so durch die Magnetosphäre unseres Heimatplaneten vor einem Großteil der gefährlichen kosmischen Strahlung geschützt. Dieser Schutz fällt im interplanetarischen Raum weg. „Die Strahlungsdosis ist vergleichbar mit einer Ganzkörper-CT alle fünf oder sechs Tage“, erläutert Cary Zeitlin vom Southwest Research Institut im US-amerikanischen Boulder. Eine Rundreise zum Mars würde damit das Risiko einer tödlichen Krebserkrankung um etwa drei Prozent erhöhen.
Da eine stärkere Abschirmung kaum möglich ist – das Raumschiff wäre zu schwer – bleibt nur eine Verkürzung der Reisezeit, um die Strahlungsgefahr zu verkleinern. Damit rückt eine Technik ins Blickfeld, über die Raumfahrt-Experten schon seit Jahrzehnten diskutieren: der Nuklearantrieb. Bereits in den 1950er Jahren entwarfen amerikanische Forscher ein Verfahren, Raumschiffe durch schnell aufeinander folgende Kernexplosionen anzutreiben. Dieses aus heutiger Sicht geradezu grotesk anmutende Verfahren wäre jedoch – wenn überhaupt – erst in ferner Zukunft für Reisen zwischen den Sternen geeignet.
Für Flüge zum Mars und anderen Zielen im Sonnensystem könnte dagegen gebändigte Kernenergie zum Einsatz kommen. Ein kleiner Kernreaktor, so die Vorstellung, erhitzt Wasserstoff auf hohe Temperaturen, der sich dadurch rasant ausdehnt, mit hoher Geschwindigkeit durch eine Düse herausschießt und so das Raumschiff antreibt. „Mit den heute verwendeten Treibstoffen sind für uns Menschen Reisen außerhalb des erdnahen Raums nahezu unmöglich“, erklärt John Slough. Der an der University of Washington tätige Raumfahrtforscher arbeitet für die Nasa an der Entwicklung eines Nuklearantriebs auf Fusionsbasis. „Wir hoffen, eine Energiequelle zu entwickeln, mit der interplanetarische Reisen geradezu alltäglich werden können.“ Mit einem Nuklearantrieb wäre ein bemannter Flug zum Mars innerhalb von 30 Tagen möglich.
Näher an der Realisierung ist ein anderer Raumschiffmotor, der magnetoplasmadynamische Antrieb. Unter der Bezeichnung Vasimir entwickelt das amerikanische Unternehmen Ad Astra einen Prototyp, der bereits ab 2014 an der ISS getestet und zur Stabilisierung der Flughöhe der Raumstation eingesetzt werden soll. Eine starke elektrische Spannung erzeugt bei diesem Antrieb ein Plasma – also ein elektrisch geladenes Gas –, das dann durch ein Magnetfeld mit hoher Geschwindigkeit ausgestoßen wird. Für Kurskorrekturen der ISS mit Vasimir reicht zwar die von den großen Sonnenkollektoren gelieferte Spannung. Um aber eine Raumsonde oder ein bemanntes Raumschiff auf hohe Geschwindigkeiten zu bringen, ist eine stärkere Energiequelle nötig – auch hier müsste dann wieder ein Kernreaktor zum Einsatz kommen.
Insbesondere für unbemannte Missionen, bei denen der Zeitfaktor oft keine wichtige Rolle spielt, ist deshalb eine Alternative attraktiv, die keine starke Energiequelle an Bord benötigt: das so genannte Sonnensegel, das den Druck des Sonnenlichts nutzt. Mit der japanischen Sonde Ikaros gelang vor drei Jahren erstmals der experimentelle Nachweis, dass sich ein solches Segel tatsächlich zur Beschleunigung und Steuerung eines Raumfahrzeugs einsetzen lässt. Allerdings ist der Druck, den die Sonnenstrahlung ausübt, außerordentlich klein. Deshalb sind große Segel aus extrem dünnem Material nötig. Die größte technische Hürde ist die Entfaltung und Stabilisierung eines solchen Segels im All.
Technisch einfacher ist das elektrische Segel. Die Raumsonde spult dabei ein oder mehrere lange Kabel ab, die unter elektrische Spannung gesetzt werden. Das damit um die Sonde erzeugte elektrische Feld lenkt die ebenfalls elektrisch geladenen Partikel des Sonnenwinds wie ein mechanisches Segel ab und erzeugt so den gewünschten Vortrieb. Derzeit testen finnische Forscher den Prototyp eines solchen Antriebs mit dem kleinen estnischen Satelliten ESTCube-1.
In großem Maßstab angewendet, könnte ein elektrisches Segel deutlich höhere Beschleunigungen erreichen als ein Sonnensegel, allerdings nur für relativ kleine Nutzlasten. Der Antrieb eignet sich deshalb einerseits für schnelle, kleine Sonden zu fernen Planeten, andererseits für größere Nutzlasten, bei denen es nicht auf die Reisezeit ankommt. Schnelle bemannte Flüge durch das Sonnensystem sind weder mit einem Sonnensegel noch mit einem elektrischen Segel möglich – hier bleibt nur der nukleare Antrieb.
Risiko Kernenergie im All
Als sich im Jahr 1997 die amerikanische Cassini-Sonde auf den Weg zum Saturn machte, formierte sich im Vorfeld eine starke Protestbewegung. Der Grund: Das Raumfahrzeug hatte zur Energieversorgung Plutonium an Bord. Bei einem Fehlstart könnte sich, so die Befürchtung, das radioaktive Element über eine große Fläche verteilen oder die Atmosphäre verseuchen.
Tatsächlich gab es in der Raumfahrt-Geschichte bereits eine ganze Reihe von Unfällen mit radioaktivem Material. So stürzte im Januar 1978 der Reaktorkern des sowjetischen Satelliten Kosmos 954 ab und kontaminierte eine Fläche von 124.000 Quadratkilometern der kanadischen Nordwest-Territorien.
Die Raumfahrtbehörden versuchen zwar, das Risiko durch mehrschichtige Sicherheitskonzepte zu minimieren. Doch die Skepsis wird, wie bei der zivilen Nutzung der Kernenergie, bleiben. Der Einsatz von Nuklearantrieben in größerem Umfang ist deshalb nicht nur ein technisches, sondern auch ein gesellschaftspolitisches Problem.
Bildquelle: Nasa