Neues Modell erklärt sowohl Ringe als auch Achsenneigung des Planeten
Die Zerstörung eines Mondes vor 100 bis 200 Millionen Jahren führte nicht nur zur Entstehung der Saturnringe, sondern erklärt auch die große Neigung der Rotationsachse des Planeten. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher aus den USA auf der Basis einer neuen Analyse von Daten der Raumsonde Cassini sowie von Computersimulationen. Um das Modell zu bestätigen, müsse aber der innere Aufbau von Saturn genauer untersucht werden, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.
„Der Winkel zwischen der Äquatorebene des Planeten und der Ebene seiner Umlaufbahn ist mit 26,7 Grad viel zu groß, um während der Entstehungsphase des Saturn aus der rotierenden Gasscheibe um die Sonne zustande gekommen zu sein“, erläutern Jack Wisdom vom Massachusetts Institute of Technology und seine Kollegen. Denn die Erhaltung des Drehimpulses sorge dabei dafür, dass die Rotationsachse eines entstehenden Planeten nahezu senkrecht auf der Bahnebene steht. Es muss also eine spätere Ursache für die Neigung der Rotationsachse geben.
Als mögliche Ursache diskutieren Astronomen seit knapp zwei Jahrzehnten eine Resonanz zwischen Saturn und Neptun. Denn die Rotationsachse des Saturn „taumelt“ – die Forscher nennen es „Präzession“ – im gleichen Rhythmus wie die Umlaufbahn des Neptun. Dadurch summieren sich kleine Störungen durch Neptun über einen langen Zeitraum so auf, dass sich eine ursprünglich kleine Neigung der Achse bis auf den heutigen Wert vergrößert haben könnte.
Allerdings hängt die Einwirkung Neptuns auf Saturn sowohl von seinen Monden als auch von der genauen Massenverteilung im Inneren Saturns ab. Hier haben Wisdom und seine Kollegen angesetzt: Anhand der von der Saturnsonde Cassini zur Erde gefunkten Bahndaten – insbesondere während des gezielten Absturzes der Sonde am 15. September 2017 – konstruierten die Forscher ein verbessertes Modell des Planeten. Und kamen zu einem zunächst enttäuschenden Ergebnis: Saturn befindet sich demnach nicht im Bereich einer Resonanz mit Neptun, sondern knapp außerhalb.
Doch das Team gab nicht auf. Die Idee der Forscher: Vielleicht befand sich Saturn zunächst in Resonanz mit Neptun, wurde aber dann durch ein Ereignis daraus heraus befördert. „Wir machten uns also auf die Suche nach einer Möglichkeit, Saturn aus der Resonanz mit Neptun herauszuholen“, sagt Wisdom. Auf Basis theoretischer Überlegungen und einer großen Zahl von Simulationen des Planeten und seiner Monde fanden die Wissenschaftler schließlich eine Lösung: Saturn muss ursprünglich einen weiteren größeren Mond besessen haben. Nur mit diesem zusätzlichen Mond – der etwa so groß wie der drittgrößte Trabant Japetus gewesen sein soll – gelang es, Saturn über lange Zeit in Resonanz mit Neptun zu halten.
Doch die Umlaufbahnen der Monde von Saturn verändern sich. So wandert insbesondere der Orbit des größten Saturnmonds Titan langsam nach außen. Irgendwann von 100 bis 200 Millionen Jahren kam es dadurch zu einer starken Störung der Bahn des von Wisdom und seinem Team „Chrysalis“ getauften zusätzlichen Mondes: Auf einer chaotischen Bahn näherte er sich dem Saturn so sehr an, dass er durch die Gezeitenkräfte des Planeten zerrissen wurde. Mit dem Verschwinden von Chrysalis aber bewegte sich Saturn aus der Resonanz mit Neptun heraus.
Ein großer Teil der Trümmer fiel auf den Planeten herab, die Überreste bildeten schließlich die heutigen Saturnringe. Dieses Modell vermag also sowohl die Saturnringe als auch die Achsneigung des Saturn zu erklären. Allerdings hängt dieses Szenario auch weiterhin stark von der Massenverteilung im Inneren des Planeten ab. Hier sind also genauere Daten von zukünftigen Raumsonden nötig, um das Modell zu bestätigen.
Bildquelle: NASA