Gewagte These zweier US-Forscher: Erste Lebensformen entstanden vor zehn Milliarden Jahren im All
Baltimore (USA) - Das irdische Leben ist bereits lange vor der Erde im Weltall entstanden. Zu diesem Schluss kommen zwei US-amerikanische Genforscher, die die Entwicklung der genetischen Komplexität untersucht und in die Vergangenheit zurück extrapoliert haben. Die ersten funktionsfähigen Bausteine der heutigen Erbsubstanz DNA sind danach bereits vor 9,7 Milliarden Jahren entstanden. Ihr Modell sei zwar stark vereinfacht, biete aber andererseits eine Erklärung für die scheinbar schnelle Entstehung des Lebens unmittelbar nach der Abkühlung der jungen Erde, so die beiden Wissenschaftler.
Und nicht nur das: Ihre provokative These erkläre zudem, warum wir bislang keine Spuren von außerirdischen Intelligenzen gefunden haben. „Intelligentes Leben beginnt gerade erst, sich im Universum auszubreiten“, schreiben Alexei Sharov vom National Institute on Aging in Baltimore und Richard Gordon vom Gulf Specimen Marine Laboratory in Panacea in ihrer online veröffentlichten Forschungsarbeit. „Das Leben hat rund fünf Milliarden Jahre gebraucht, um die Komplexität von Bakterien zu erreichen.“ Deshalb gäbe es heute noch keine technisch der Menschheit weit überlegenen Zivilisationen im Kosmos.
Sharov und Gordon sind bei ihrer Analyse der genetischen Komplexität auf einen ähnlichen Verlauf gestoßen, wie ihn das Mooresche Gesetz für die Computertechnik beschreibt. Danach verdoppelt sich die Komplexität komplexer Schaltkreise alle ein bis zwei Jahre. Das Wachstum der genetischen Komplexität verläuft zwar erheblich langsamer – die von Sharov und Gordon ermittelte Verdoppelungszeit beträgt 376 Millionen Jahre – aber die Konsequenzen sind ähnlich: Die Entwicklung verläuft exponentiell, also erst langsam, dann immer schneller.
Der Clou ist, dass sich im Prinzip eine solche Entwicklung in die Vergangenheit zurückrechnen lässt. Mit dem Mooreschen Gesetz kommt man so korrekt auf die 1960er Jahre für die Entwicklung der ersten Mikrochips. Eine ähnliche Rechnung führt darauf, dass die ersten funktionsfähigen, vererbbaren Basenpaare einer Erbsubstanz bereits vor 9,7 Milliarden Jahren, möglicherweise sogar noch früher, entstanden sind. Bleibt die Frage, ob sich die Entwicklung des Lebens tatsächlich derart vereinfach beschreiben lässt – ist doch die Evolution oft sprunghaft vorangeschritten, wie etwa bei der „kambrischen Artenexplosion“ vor 540 Millionen Jahren.
Doch auch die Entwicklung der Computer verlaufe durch technische Innovationen sprunghaft, betonen Sharov und Gordon. Wenn die beiden Forscher Recht haben, dann sind alle Versuche, einfache Lebensformen künstlich im Labor zu erzeugen, zum Scheitern verurteilt. Der Prozess wäre danach erheblich schwieriger, als ausgehend vom frühen Auftauchen einzelligen Lebens auf der Erde bislang angenommen. Und andersherum gilt auch: Gelingt es doch ohne allzu großen Aufwand, einzelliges Leben aus toter Materie im Labor zu produzieren, so wäre die Hypothese von Sharov und Gordon widerlegt.
Bildquelle: Matthias M.