Forscher entdecken angeblich Mikroorganismen in der Hochatmosphäre – doch die Befunde sind kaum glaubwürdig
Buckingham (Großbritannien) - „Leben im All entdeckt!“ titelte am Samstag die BILD und zitierte den britischen Forscher Milton Wainwright mit den Worten: „Wir wissen nicht, was es ist, aber es lebt.“ Tatsächlich berichten Wainwright und sein Team im Fachblatt „Journal of Cosmology“ über den Nachweis von Teilen der harten Hülle von Kieselalgen in Proben, die ein Forschungsballon in einer Höhe von 22 bis 27 Kilometern gesammelt hatte. Da es keinen bekannten Mechanismus gäbe, der Teilchen dieser Größe bis in die Stratosphäre hinauf transportieren könne, müsse das Kieselalgen-Bruchstück aus dem Weltall stammen, so die Forscher.
Ein solcher Fund wäre „revolutionär“ und „würde unsere Vorstellung von Biologie und Evolution komplett verändern“, so Wainwright. Doch unter Experten stößt die Studie der britischen Forschergruppe auf gehörige Skepsis. „Vielleicht haben sie wirklich etwas Ungewöhnliches in der Stratosphäre entdeckt“, kommentiert der Astrobiologe Chris McKay von der Nasa, „aber von dort ist es ein gewaltiger Sprung, auf außerirdisches Leben zu schließen.“ Es sei sehr viel wahrscheinlicher, dass das Kieselalgen-Fragment irdischen Ursprungs ist. Infrage komme sowohl eine Kontaminierung der Instrumente am Erdboden als auch ein bislang unbekannter Effekt, der Mikroorganismen bis in diese Höhen transportieren könnte – und beides konnten Wainwright und seine Kollegen nicht hinreichend ausschließen.
Deshalb schlagen Wainwright und sein Team selbst vor, die Isotopen-Zusammensetzung des Fragments zu untersuchen. Isotope sind chemisch gleiche Atome, die aufgrund einer unterschiedlichen Anzahl von Neutronen in ihren Kernen unterschiedlich schwer sind. Irdische Materie und Materie aus dem All unterscheiden sich in der Häufigkeit der Isotope vieler chemischer Elemente. Der an der Washington State University tätige deutsche Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch kritisiert, dass Wainwright und sein Team eine solche Analyse nicht vor der Veröffentlichung ihrer „provokativen Behauptungen“ durchgeführt haben. Der Wissenschaftler betont außerdem, dass Kieselalgen im Gegensatz zu Bakterien bereits relativ weit entwickelte Lebensformen sind, entstanden etwa drei Milliarden Jahre nach den ersten Lebensformen. „Bei einem außerirdischen Ursprung würde ich erwarten, dass die Organsimen sich deutlich von irdischen Organismen unterscheiden – und nicht verblüffend irdischen Kieselalgen ähneln.“
Zusammengefast lässt sich also feststellen: Wainwright und seine Kollegen wissen sehr wohl, was sie da gefunden haben, nämlich ein Fragment der Hülle einer Kieselalge. Und lebendig ist dieses Fragment so wenig wie ein abgeschnittener Fingernagel – es gehörte lediglich einst zu einem lebenden Organismus. Und schließlich: Ein außerirdischer Ursprung wird von dem Forscherteam lediglich ad hoc postuliert, aber nicht beweisen und ist nach Ansicht anderer Astrobiologen höchst unwahrscheinlich.
Bildquelle: Wainwright et al.