Sie dauern wenige Millisekunden und wiederholen sich nicht – doch die Lösung des astronomischen Rätsels könnte weit weniger exotisch sein als bislang angenommen

Cambridge (USA) / Tel Aviv (Israel) - Warum in die Ferne schweifen: Die Erklärung für mysteriöse, nur Millisekunden dauernde Radiopulse aus dem Weltall liegt möglicherweise nicht in weit entfernten Galaxien, sondern in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft. Das behauptet zumindest ein Forscher-Trio aus den USA und Israel. Bislang wurden allerlei exotische Phänomen als Erklärungsmöglichkeiten herangezogen – vom Verdampfen Schwarzer Löcher bis zur schlagartigen Zerstörung des Magnetfelds eines Neutronensterns bei seinem finalen Kollaps zu einem Schwarzen Loch. Die drei Wissenschaftler präsentieren im Fachblatt „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ nun eine weit banalere Lösung: Strahlungsausbrüche auf Sternen im Umkreis von wenigen hundert Lichtjahren.

„Immer, wenn Astronomen eine neue Art von Strahlungsquelle entdecken, ist die erste Frage: Sind sie nah oder fern?“, erläutert Abraham Loeb von der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge. Gerade einmal sechs der mysteriösen Radio-Ausbrüche haben die Himmelsforscher bislang registriert – und alle nicht unmittelbar während einer Beobachtung, sondern erst später bei der Analyse von Archivdaten. Bislang konnten die Astronomen an den Himmelspositionen der Ausbrüche keine ungewöhnlichen Objekte aufspüren. Und keiner der Pulse konnte ein weiteres Mal beobachtet werden.

Doch die Radioausbrüche zeigen eine Eigenschaft, die bislang als Beleg für ihre Herkunft aus extrem großen Entfernungen angesehen wurde: Die exakte Ankunftszeit der Pulse hängt von ihrer Frequenz ab. Für diese „Dispersion“ sind freie Elektronen im Weltall verantwortlich, sie verzögern die Ausbreitung von Radiosignalen umso stärker, je niedriger ihre Frequenz ist. Ausgehend von der mittleren Elektronendichte im All lässt sich daher aus der Dispersion die Entfernung berechnen – und heraus kommen Milliarden von Lichtjahren. Demnach müsste es sich bei den Quellen der Radiopulse um extrem energiereiche Objekte in fernen Galaxien handeln.

Loeb und seine Kollegen halten diese Schlussfolgerung jedoch für falsch: Auch die hohe Elektronendichte in der heißen Korona eines Sterns könne die beobachtete Dispersion verursachen. Insbesondere zwei Sterntypen sind für kurze Strahlungsausbrüche bekannt: junge, massenarme Sterne und extrem enge Doppelsysteme aus zwei sonnenähnlichen Sternen. Beide Sterntypen zeigen auch im optischen Bereich auffällige Helligkeitsänderungen. Es ist also naheliegend, in der Umgebung der mysteriösen Radiopulse nach solchen Sternen zu suchen.

„Es hat uns wirklich überrascht, dass niemand bislang auf diese Idee gekommen ist“, sagt Dani Maoz von der Universität Tel Aviv. Das Forscherteam hat mit den Teleskopen der Wise-Sternwarte in der Negev-Wüste die Umgebung von drei Radioausbrüchen nach veränderlichen Sternen gesucht – und wurde in einem Fall fündig: Hier stießen die Astronomen auf einen 2600 Lichtjahre entfernten Kontakt-Doppelstern, der als Ursache der Radiopulse infrage kommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein solcher Stern zufällig so nahe an der Position des Radioausbruchs befindet, schätzen die drei Wissenschaftler auf weniger als fünf Prozent. Die Suche nach verdächtigen Sternen im Umfeld der Radiopulse soll nun weitergehen.

Bildquelle: NASA