Ihr steiniger Weg an die Weltspitze der Mathematik

Emmy Noether zählt neben Alan Turing, John von Neumann und Kurt Gödel zweifellos zu den bedeutendsten Mathematikern (generisches Maskulinum!) des 20. Jahrhunderts. Eine Biografie über eine Mathematikerin auf „Weltraum aktuell“? Dafür gibt es gute Gründe. Mathematik und Physik haben sich stets gegenseitig befruchtet, denn Mathematik ist die Sprache, in der Physiker ihre Theorien formulieren. Oft genug mussten Physiker dafür neue mathematische Werkzeuge erfinden, wie etwa Isaac Newton die Differentialrechnung für sein Gravitationsgesetz und die Bewegung der Planeten. Und andersherum entdecken Mathematiker mitunter Zusammenhänge, die dann für Physiker von großem Interesse sind. Ein herausragendes Beispiel dafür ist ein von Emmy Noether 1918 formuliertes Theorem, welches einen Zusammenhang zwischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen herstellt. Dieses „Noether-Theorem“ spielt heute eine wichtige Rolle in der Teilchenphysik – und damit letztlich auch in der Kosmologie.

Lars Jaeger legt nun erstmal eine deutschsprachige Biografie Emmy Noethers in Buchform vor. Damit erhalten wir einmal mehr einen Eindruck davon, wie schwierig es selbst für eine hochbegabte Frau wie Noether zu jener Zeit war, sich – trotz allerhöchster Anerkennung durch die Fachwelt – an einer Universität in Deutschland zu etablieren. Selbst nach ihrer Habilitation musste sie – abgesehen von gering entlohnten Lehraufträgen – unbezahlt forschen. Erst nachdem Noether 1933 als Jüdin gezwungen war, Deutschland zu verlassen, erhielt sie am Women’s College Bryn Mawr in den USA ihre erste angemessen bezahlte Stelle.

Leider scheitert Jaeger daran, Noethers mathematisches Werk verständlich darzustellen – der Autor schwankt zwischen zu starken Vereinfachungen und nur noch für Experten verständlicher Fachsprache. Und leider erfährt man aus dem Buch – immerhin soll es eine Biografie sein – sehr wenig über die Person Emmy Noether. Vielleicht, weil es dazu einfach zu wenig Quellenmaterial gibt – wie es etwa im Falle Albert Einsteins die vielfältigen Briefwechsel darstellen.

So sah sich Jaeger anscheinend gezwungen, das Buch mit Material aufzufüllen, dass zwar für sich genommen nicht uninteressant sein mag, aber nicht dem entspricht, was man in einer Noether-Biografie zu lesen hofft: Gute 50 Seiten opfert der Autor Leben und Leistung zahlreicher Noether-Schüler. Überflüssig erscheint mir auch der Anhang „Expertenwissen“ – denn er dürfte lediglich für Experten verständlich sein, die dieses Fachwissen entweder bereits beherrschen oder einem Lehrbuch entnehmen können.

Abschließend noch eine Bemerkung: Bereits im Vorwort schreib Jaeger: „Dass ihr Name trotz ihrer überragenden Bedeutung bis heute praktisch unbekannt ist, liegt vor allem an einem Umstand: Emmy Noether war eine Frau.“ Aber stimmt das tatsächlich? Und ist es sinnvoll, ihre Leistung damit zu reduzieren, dass man betont, sie sei eine bedeutende Mathematikerin? Ich meine: Nein. Unter Mathematikern und Physikern ist Noether bekannt und angesehen – sie fehlt in keiner Liste bedeutender Mathematiker. Und unter Laien teilt sie zweifellos ihr Schicksal mit männlichen Kollegen wie Turing und Gödel – es hat weniger mit ihrem Geschlecht zu tun als damit, dass ihr Werk für Laien schwer zugänglich ist.

Lars Jaeger: Emmy Noether
Gebundene Ausgabe
Südverlag
ISBN-10‏: ‎ 3878001614
ISBN-13‏: ‎ 978-3878001614
22 Euro